Max Elsas

Ein Ehrenmann wird ausgestoßen

Marstallstraße 4

Die Biografie von Max Elsas steht als Beispiel dafür, dass es im 20. Jahrhundert möglich war, einen Menschen von höchstem Ansehen durch die nationalsozialistische Vernichtungspolitik bis zur physischen Vernichtung zu bringen.

Max Elsas wurde am 10. März 1858 als dritter Sohn des Benedikt und der Rebekka Elsas in Ludwigsburg geboren. Er wuchs mit seinen Brüdern Oskar, Adolf, Louis und der Schwester Sidonie im Haus Marstallstraße 4 auf. Max besuchte nach der Elementarschule das Realgymnasium in Ludwigsburg und verließ diese Schule mit dem so genannten «Einjährigen», was der Mittleren Reife entsprach. Der Vater hat dem Sohn anschließend eine Ausbildung zum Textilfachmann am Technikum für Textilindustrie in Reutlingen ermöglicht. Eine kaufmännische Ausbildung schloss sich dem allem an, und Max Elsas leitete viele Jahre lang die Bunttuchweberei Elsas & Söhne GmbH, bis zur «Arisierung» der Firma 1938.

Der zierliche Mann mit seinem schwarzen, später silbergrauen Bart wirkte vertrauenserweckend. Jeder in der Stadt wusste, dass Max Elsas es ehrlich meint und niemanden übervorteilen würde. Max Elsas praktizierte das Ethos eines emanzipierten Juden, der edel und tadelsfrei leben will.

Der engagierte Lokalpolitiker und Unternehmer hat sich für das Gemeinwesen der Stadt Ludwigsburg eingesetzt. 1882 trat er der Feuerwehr bei. Von 1905 bis 1908 war er Mitglied des Bürgerausschusses, wurde als Mitglied der Demokratischen Partei in den Stadtrat übernommen und wenige Jahre später zum Stellvertreter des Oberbürgermeisters ernannt.

Er war Handelsschulrat, also Mitglied des leitenden Gremiums dieser Institution, auch Ausschussmitglied des Verbandes Württembergischer Industrieller und Schatzmeister des Industrieverbands Ludwigsburg. Er wurde in die Handelskammer gewählt und war Ausschussmitglied des württembergischen Industrie- und Handelstags. Er wurde in den Ausschuss der Versicherungsanstalt Württemberg und in den der Allgemeinen Ortskrankenkasse Ludwigsburg gewählt und war Vorstandsmitglied des Versicherungsamts in Ludwigsburg. Auch hatte er das Amt eines Schatzmeisters des Vereins «Neckar-Donau-Kanal», des so genannten «Kanal-Vereins» inne. Viele Jahre arbeitete er in den Steuerausschüssen des Finanzamtes mit.

Um ihrer Verdienste im Rahmen des Bürgervereins Untere Stadt willen wurden die Brüder Oskar, Adolf, Max und Louis Elsas 1929 zu Ehrenmitgliedern dieses Vereins ernannt. Zum 70. Geburtstag im Jahr 1928 wurde Max Elsas ehrend in der Zeitung erwähnt. Dagegen findet man am 10. März 1933, dem 75. Geburtstag, 40 Tage nach der so genannten «Machtergreifung» der Nationalsozialisten, kein Wort mehr über Max Elsas in der Presse.

Am 3. April desselben Jahres aber war in der Ludwigsburger Zeitung zu lesen: Rücktritt des Fabrikanten Max Elsas aus allen öffentlichen Ämtern. Er wurde wie alle jüdische Bürger systematisch isoliert. Der frühere sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Wilhelm Keil berichtete: «Ich war Augenzeuge, wie der Greis gebeugt ein Lebensmittelgeschäft mit höflichem Gruß betrat. Man nahm keine Notiz von ihm, erwiderte seinen Gruß nicht und bediente ihn nicht. Zerknirscht schlich er davon.»

Am 10. November 1938, als die Synagoge auch in Ludwigsburg niedergebrannt worden war, wurde der 80jährige Max Elsas in seiner Wohnung verhaftet und ins Gefängnis «Blockhaus» an der Schorndorfer Straße gebracht. Als der Sohn Dr. Ludwig Elsas von dem Vorgang erfuhr, stellte er sich für den Vater, der daraufhin auf freien Fuß gesetzt wurde. Aber der Sohn blieb in Haft und wurde ins KZ Welzheim gebracht.

Bis zum Jahresende 1938 wurde die Firma «arisiert». Die Familie Elsas hatte von nun an kein Einkommen mehr und wusste, wann sie vor dem Nichts stehen würde. Besonders stark belastete die Situation seinen Sohn Bernhard Elsas, der sich von nun an in ärztlicher Behandlung befand. Als Bernhard Elsas, seiner Frau und ihren Kindern in letzter Sekunde im Jahr 1941 die Auswanderung nach Amerika gelang, schaute Max Elsas hinter den Gardinen hervor, dem von der Marstallstraße abfahrenden Taxi nach. Da seine Frau Ida Elsas, geb. Fellheimer, am 7. April 1939 verstorben war, fristete Max Elsas von nun an ein Dasein in völliger Isolation.

Als sich die Nationalsozialisten dazu entschlossen, die Städte und Dörfer «judenfrei» zu machen, wurde auch Max Elsas am 2. Dezember 1941 in das Zwangsaltenheim für Juden in Eschenau, in der Nähe von Heilbronn, eingewiesen und von dort aus am 22. August 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert. Dort ist Max Elsas am 30. September 1942 an Entkräftung und Krankheit gestorben.

 

Dr. Albert Sting / Martina Kütterer

Fotomontage oben: Gebäude Marstallstraße 4 im Jahr 2009, Portrait Max Elsas (Stadtarchiv Ludwigsburg)