Karl Müller

Er hatte zu Hoffnungen Anlass gegeben

Jägerhofallee 2

Am 16. Juli 1940 wurden 18 Menschen aus dem Landkreis Ludwigsburg in grauen, fensterlosen Bussen in die Anstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb gebracht und dort ermordet – einer von ihnen war Karl Müller, geboren am 5. Juli 1904 in Ludwigsburg.

In der Jägerhof-Allee 2, im ersten Stock, lebte Karl Müller mit seiner Mutter, bis er 1927 in die Anstalt Weinsberg aufgenommen wurde. Mit 16 stürzte er beim Turnen auf den Kopf, seither hatte er epileptische Anfälle. Nach dem Tuberkulose-Tod seines Brudes im Jahr 1926 habe der sehr religiöse junge Mann sich stark verändert: „Aufgeregtes Wesen, tobsüchtig, gewalttätig. Kein Anfall. Wird in weinerlichem Zustand gebracht, ist dabei völlig klar und orientiert. Grübelt am nächsten Tag still vor sich hin, liest in der Bibel (…) während der folgenden Woche annähernd normales Verhalten ohne auffälliges Wesen. Dann nachts plötzlich schwerster Erregungszustand, geht auf Zimmergenossen los unter völliger Verkennung der Umgebung, halluziniert lebhaft.“ Weiter heißt es:  „Grund der Anstaltsbedürftigkeit: Pflegebedürftig, gefährlich für andere.“

Über Karl Müller erfahren wir in den Akten, dass er in der Schule schnell gelernt habe, aber mit den Kameraden oft Streit gehabt habe. Nach der Schule machte er eine Lehre als Flaschner, ein Beruf, in dem auch der Vater gearbeitet hatte. Er sei später Angestellter, bei „schwerem Geschäftsgang“ auch mal arbeitslos gewesen.

Andere Hilfen als ein Leben in der Anstalt erschienen nicht möglich. In einem typischen Eintrag im Krankenbericht im Oktober 1937 heißt es: „Das Zustandsbild des Patienten ist ziemlich stabil: Er kann längere Zeit ganz ruhig und geordnet sein, dann kommen plötzlich endogene Verstimmungszustände, er wird erregt, als Abschluss immer Anfälle.“ Die Akte endet am 16. Juli 1940 mit dem handschriftlichen Vermerk: „In andere Anstalt verlegt“.

Christian Rehmenklau