Emma, Frieda und Regina Laupheimer

Drei Schwestern im Herzen der Stadt

Holzmarkt 6

Im September 1919 übernahmen Emma Laupheimer, geboren 1874 und Regina Laupheimer, geboren 1868, die Firma Stöhr, Manufakturwaren und Aussteuerartikel, am Holzmarkt 6 in Ludwigsburg. Emma blieb bis Ende 1938 Inhaberin des Geschäfts. Regina arbeitete als Kontoristin und Verkäuferin im Laden mit. Ihre Schwester Frieda, geboren 1872, führte den Haushalt in der Wohnung über dem Laden, am Holzmarkt 6.

Die Töchter des seit mehreren Generationen in Laupheim ansässigen jüdischen Metzgers Michael Laupheimer und seiner Frau Bertha, waren einige Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs nach Stuttgart gekommen. Die besseren wirtschaftliche Bedingungen in den Großstädten veranlassten viele zum Wegzug aus den jüdischen Landgemeinden Württembergs.

Mina Laupheimer, eine der fünf Schwestern, betrieb in Bad Cannstatt ein Wäschegeschäft, das sie nach ihrer Heirat, gemeinsam mit ihrem Ehemann Adolf Spengler, bis nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weiterführte. In „Mischehe“ lebend, entkam sie als einzige von sieben Geschwistern der Verfolgung und Ermordung durch die Nationalsozialisten. Sie überlebte zwar die Kriegszeit, verstarb jedoch im Jahr 1946 in Bad Cannstatt.

Lina Laupheimer, die als Näherin ebenfalls in Bad Cannstatt arbeitete, heiratete 1913 den Cannstatter Kaufmann Otto Richter. Das Ehepaar zog nach Hannover, von wo aus Otto Richter als Handelsvertreter unterwegs war. Otto Richter gehörte, wie auch sein Schwager Adolf Spengler, der evangelischen Kirche an.

Die Heirat Minas im Jahr 1919 war wohl der Anlass der ledigen Schwestern von Bad Cannstatt nach Ludwigsburg zu ziehen und dort eine neue Existenz zu gründen. Die Frauen verfügten dank ihrer langjährige Berufserfahrung über detaillierte Kenntnisse. Beim Angebot ihres Sortiments bestehend aus Aussteuerartikeln, Stoffen und Kurzwaren ergaben sich, so ist anzunehmen, persönliche und familiäre Verkaufsgespräche. „Wir haben alle unsere Sachen bei den Fräulein Laupheimer eingekauft“ wird später ein Nachbar erzählen. „Meine Oma und meine Mutter waren immer bei den Laupheimers im Laden“ berichtete mir dieser Tage der Enkel bzw. Sohn alter Ludwigsburgererinnen.

Nach jahrelangen Schikanen durch die Naziherrschaft mussten die Frauen im November 1938 ihren Laden schließen. Die Nationalsozialisten verdrängten alle jüdischen Geschäftsleute aus ihren Betrieben. Ohne Aussicht auf Lebensunterhalt verließen die Schwestern Laupheimer Ende November 1938 notgedrungen ihre Wahlheimat Ludwigsburg. Ihr erzwungener Wegzug wurde mit dem Kommentar: „Die kommet nimmer“ von Nachbarsleuten registriert. Die Schwestern fanden
zum Teil Unterkunft bei den Laupheimer Verwandten. Emma Laupheimer konnte vorübergehend im ererbten väterlichen Haus in der Kapellenstr. 30 in Laupheim wohnen. Noch im Dezember 1938 wurden die Schwestern mit der Nachricht vom Tod ihres Bruders Sigmund konfrontiert. Er war als einziger der jüdischen „Schutzhäftlinge“, die nach der Pogromnacht im November 1938 von Laupheim ins KZ Dachau gebracht worden waren, nicht zurückgekehrt. Männer der Lagerbesatzung hatten ihn erschlagen.

In Ludwigsburg war die seit 1937 verwitwete Schwester Lina Richter zurückgeblieben. Sie hatte erst im März 1938 von Hannover kommend eine Wohnung in der Leonberger Str. 18 bezogen. Lina Richter wollte im Sommer 1939 von hier aus in die USA emigrieren. In den Restitutionsakten im Staatsarchiv in Ludwigsburg befinden sich die Listen mit den Gegenständen ihrer Wohnungseinrichtung, die sie am 1. August 1939 zum Beladen eines Umzugscontainers aufgeführt hat. Erst im Oktober 1939 wird der Container von einer Stuttgarter Spedition nach Rotterdam gebracht. Er soll nach New York verschifft werden. Lina Richter wird jedoch noch Ende Oktober 1939 im Zuge der jüdischen „Landumsiedlung“ nach Laupheim ausgewiesen. Die Auswanderung ist nicht mehr möglich. Ihr Container mit der Wohnungseinrichtung wurde wegen des Kriegsausbruchs nicht in die USA verschifft, sondern 1941 wieder zur Spedition nach Stuttgart zurückbefördert. Dort wird er einem Altwarenhändler zum Verkauf übergeben. Ob Lina Richter je einen Bruchteil des Inhalts, der mit einem Wert von 10 000 Reichsmark angegeben worden war, erhalten hat, ist nicht mehr zu ermitteln.

Laupheim, die Stadt mit der einst größten jüdischen Gemeinde in Württemberg, vertrieb im Oktober 1941 alle ihre noch dort lebenden jüdischen Mitbürger aus ihren Wohnungen und Häusern, angeblich wegen „drohender Wohnungsnot“. Regina Laupheimer wurde ins überfüllte jüdische Altersheim eingewiesen.
Frieda und Emma Laupheimer, auch Lina Richter, mussten bitterarm auf engstem Raum im Barackenlager in der Wendelinsgrube leben. Es gab dort weder Wasser noch Strom. „Die alten Juden haben ja nichts Brauchbares mehr besessen. Alles was sie verkaufen konnten, haben sie gegen Essen und Lebensmittel getauscht, weil sie ja nichts mehr kaufen konnten…“ sagt ein Laupheimer Bürger nach dem Krieg aus.

In vier Deportationen wurden die Laupheimer Juden vom dortigen Westbahnhof aus in den „Osten“ gebracht. Mit dem letzten Transport am 19. August 1942 kamen die vier Schwestern Regina, Frieda, Emma und Lina ins Ghetto nach Theresienstadt.

Regina Laupheimer, Frieda Laupheimer und Emma Laupheimer wurden am 26. September 1942 in Treblinka ermordet.

Lina Richter wurde am 21. November 1943 im Ghetto in Theresienstadt ermordet.

Die jüngste der Schwestern, Luise, wurde im Juli 1942 mit ihrem Mann Arthur Grab von Laupheim aus nach Auschwitz deportiert. Luise und Arthur Grab sind dort ermordet worden.

Manfred Laupheimer, der ältere der beiden Brüder, wurde ebefalls am 19. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Er wurde am 29. September 1942 in Treblinka ermordet.

Mit dem letzten Transport vom 19. August 1942 war das jüdische Leben in Laupheim augelöscht.
Gudrun Karstedt

Quellen:
Joachim Hahn Jüdisches Leben in Ludwigsburg Karlsruhe Braun Verlag 1998
(erhältlich beim Stadtarchiv Ludwigsburg)
Stadtarchiv Ludwigsburg
Staatsarchiv Ludwigsburg
Stadtarchiv Stuttgart
„Die jüdische Gemeinde Laupheim und ihre Zerstörung“
erstellt von einer Arbeitsgruppe der
„Gesellschaft für Geschichte und Gedenken e.V., Laupheim 2008
Christoph Schmid Laupheim
Cornelia Hecht Antje Köhlerschmidt Die Deportation der Juden aus Laupheim
Eine kommentierte Dokumentensammlung
Laupheim 2004